Stiftung ProJustitia

Grußwort


der Bundesministerin der Justiz Brigitte Zypries, MdB zu den 4. Petersberger Tagen der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des Deutschen Anwaltvereins (PDF)

Der Grundsatz der Unschuldsvermutung ist ein wichtiger Bestandteil unseres Rechtsstaatsprinzips. Ihn in der Praxis zu gewährleisten, ist ein Anliegen, das nicht nur die Stiftung „Pro Justitia“ mit besonderem Nachdruck verfolgt. Die Unschuldsvermutung geht jeden an, der sich in der täglichen Praxis mit dem Strafrecht befasst: Richter, Staatsanwälte und Verteidiger, aber auch den Gesetzgeber und das Bundesjustizministerium.

„…irgendwas bleibt immer hängen“. Diese Sentenz im Titel der Veranstaltung zeigt bereits, wo sich das Prinzip der Unschuldsvermutung in der Praxis zu bewähren hat: beim Schutz der Persönlichkeitsrechte eines Beschuldigten oder Angeklagten. Kein Zweifel, zwischen der notwendigen Öffentlichkeit eines Strafverfahrens und dem Schutzbedürfnis eines Beschuldigten besteht ein Spannungsverhältnis und wie es sachgerecht auszugleichen ist, ist der Debatte wert.

Der Grundsatz der gesetzlichen Unschuldsvermutung hat nicht nur in Deutschland Verfassungsrang. Auf Grund des Internationalen Pakts für bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) hat er weltweite Geltung. Danach gilt „jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.“ Konkret bedeutet dies, dass weder der Gesetzgeber noch die Gerichte oder sonstigen Organe der Strafverfolgung vor dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens eine strafrechtliche Schuldfeststellung treffen dürfen.

Auch wenn der Grundsatz unbestritten ist, bei seiner praktischen Anwendung im Einzelfall treten manchmal Schwierigkeiten auf, seine Reichweite und Auswirkung zu bestimmen. Der Rechtsstaat gebietet nämlich nicht nur die Unschuldsvermutung, sondern begründet auch die Pflicht des Staates, Straftaten aufzuklären und zu verfolgen. Zudem können die Belange der Opfer einer Straftat im Spannungsverhältnis mit der Unschuldsvermutung stehen. Wir brauchen deshalb einen ständigen Diskurs über diese Problematik, und zwar nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch im europäischen und weltweiten Kontext. Anfänge dazu sind gemacht. Ein Ziel der deutschen Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union ist die Stärkung der Bürgerrechte. Dieses Ziel erschöpft sich nicht in einem Rahmenbeschluss über bestimmte Mindeststandards in Strafverfahren. Wir sollten uns auch europaweit darüber verständigen, welchen Inhalt und welche Tragweite der Grundsatz der Unschuldsvermutung hat.

Wer den Blick in die Praxis tut, der darf bei allen Überlegungen auch Presse, Funk und Fernsehen nicht ausblenden. Die Unschuldsvermutung bindet zunächst den Staat. Sie entfaltet aber Wirkung auch mit Blick darauf, dass die Berichterstattung der Medien ebenfalls schwerwiegende Folgen haben kann. Sie können manchmal sogar einschneidender sein, als die staatlichen Maßnahmen. Der Vortrag von Hans Leyendecker über die journalistischen Anforderungen an die Verdachtsberichterstattung wird daher gewiss spannend. Spannend ist das Thema dieser Tagung aber insgesamt, denn es geht dabei um gegenläufige Aufgaben unseres Rechtsstaats. Wie diese Aufgaben optimal zu erfüllen sind, muss immer wieder neu diskutiert werden. Ich grüße alle, die auf den Petersberg gekommen sind, um diese Debatte zu führen, und ich wünsche Ihnen allen eine interessante und anregende Veranstaltung.


Brigitte Zypries, MdB

Ein Pfeil von Links.Grußwort der Bundesministerin der Justiz Brigitte Zypries, MdB zu den 4. Petersberger Tagen der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des Deutschen Anwaltvereins (PDF)




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